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Hardegsen, die Eselstadt

von Andreas Lindemeier

Esel Kunibert (Signatur li_1061)

Esel Kunibert vor der Feuerwehr

Viele bunt bemalte Esel in Lebensgröße in Straßen und auf Plätzen, ein »Eselbrunnen« im Herzen des Ortes und die Flurbezeichnung »Eselsgrund« für ein Wiesental gegenüber dem Wildpark bewahren die Erinnerung an die Bedeutung der Esel in der Stadt Hardegsen.

Die Esel waren besonders im Mittelalter die wichtigsten Lastenträger im Ort. Gut zu erreichende landwirtschaftliche Nutzflächen direkt am Ortskern waren nicht vorhanden. Die Wiesen an den Bachläufen von Espolde und Schöttelbeeke waren sumpfig. Daher nutzte man die kargen unbewaldeten Kalksteinhänge der Höhenzüge Weper, Galgenberg und Gladeberg, die die Stadt umgeben.

Um eine Bewirtschaftung zu erleichtern, wurden diese Bereiche zum Teil mühsam terrassiert, auch um die Abtragung der dünnen Bodenkrume durch starke Regenfälle abzuschwächen. Noch heute sind diese Terrassen besonders an der Weper oberhalb der Bahnstrecke zwischen Bahnhof und Bahneinschnitt zu erkennen. Auch im oberen Bereich der Stecklersbeeke oder am Kleekamp sind sie noch nachzuvollziehen.

Lastenträger Esel (Signatur hae_1617)

Der Esel als Lastentier, Eseltreiber, ein Gewerbe

Mit den Eseln wurde der Dünger, der Mist auf die schwer zugänglichen Ackerflächen gebracht und mit ihnen wurde die spärliche Ernte eingebracht. Nicht jeder Ackerbürger hielt einen Esel, sondern er holte sich die Dienste der Eseltreiber ein. In der Vermögensbeschreibung der Stadt Hardegsen aus dem Jahre 1773 sind 12 Esel aufgeführt. Ein Bäcker besaß einen Esel und zwei Eseltreiber hatten fünf bzw. sechs Esel. 1827 werden 10 Einwohner als Eseltreiber aufgeführt.

Die Esel wurden auch zum Transport von Holz aus den bergigen Waldgebieten eingesetzt, besonders dort wo man mit Pferd und Holzwagen schlecht hinkam. In Kämmereirechnungen aus dem 18. Jahrhundert findet man den Ausdruck »Ein Wochenwerk Eselholz«. Dabei transportierten sechs Esel zweimal in der Woche Holz aus schlecht zugänglichen Waldstücken in die Stadt.

Sandtransport (Signatur li_1051)

Die Sandgruben bei Delliehausen

Als zusätzliche Einnahmequelle kam für die Eselbesitzer der Transport von schneeweißem Sand aus den Sandgruben bei Delliehausen hinzu. Die Flurbezeichnung »Eselsgrund« weist auf die Route hin, die der Eseltransport über die Karlsquelle und über den »Eselsstieg« hinunter nach Delliehausen nahm. Die Esel transportierten den Sand in die Dörfer des Leinetals bis nach Göttingen, wo der weiße Sand an Sonn- und Feiertagen über die gescheuerten Dielen der Wohnstuben gestreut wurde, was als besonders reinlich galt. Ab 1850 verschwand die Berufsbezeichnung Eseltreiber aus den Akten, stattdessen wurden sie jetzt als Sandhändler oder Sandfuhrmann benannt.

Ende des 19.Jahrhunderts transportierten die Hardegser Sandhändler, in Volpriehausen auch »Sandmännchen« genannt, mit ihren Eseln minderwertigen Sand aus der Sandwäsche der Brikettfabrik Volpriehausen zu Abnehmern in der Umgebung. Die aus ungestrichenen Holzbrettern oder Bohlen bestehenden Fußböden der der einfachen Häuser wurden damals mit Sand abgestreut, um sie durch Abfegen leichter reinigen und sauber halten zu können.

Transportweg durch den Eselsgrund (Signatur li_1052)

Durch den Eselsgrund nach Delliehausen

Im Sommer 1939 wurde auf Initiative des Verschönerungs- und Verkehrsvereins Hardegsen ein Stadtbrunnen von der ortsansässigen Baufirma Otto Schonlau aus heimischem Sandstein auf dem Lindenplatz errichtet. Früher war der Ort ein direkt vor dem Stadttor gelegener Marktplatz. Als Brunnenfigur war ursprünglich ein Esel vorgesehen. Das wurde aber 1939 vom Rat der Stadt abgelehnt.

Dieser Beschluss verdeutlicht das zwiespältige Verhältnis, das viele Hardegser zu den Eseln hatten. Sie galten als dümmliche Tiere und als das Symbol ärmlicher Verhältnisse, mit denen man sich in der sich entwickelnden Stadt nicht identifizieren wollte. Ein ähnlicher Beleg dafür ist die werbewirksame Aussage in dem Prospekt des Luftkurorts Hardegsen aus dem Jahre 1961, wo man stolz verkündete, dass Hardesen lange eselfrei sei.

Eselbrunnen (Signatur li_1054)

Der Eselbrunnen noch ohne Eselfigur

Esel sind kluge, intelligente Tiere, zeigen wenig Angst, sind gute Beschützer, gelten als sanftmütig und gesellig, haben große Ausdauer und ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Stur sind sie dann, wenn sie etwas machen sollen, was sie nicht wollen, ein Beleg für ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Dass man sich mit derartigen Eigenschaften sehr wohl als Stadt schmücken kann, mag wohl ein letzter Anstoß gewesen sein, dem Eselbrunnen 1983 einen Esel als Brunnenfigur aufzusetzen. Im Rahmen der 600-Jahrfeier der Verleihung der Stadtrechte erhielt der Brunnen die Statue eines Sandfuhrmanns mit seinem Esel, hergestellt von Schmiedemeister Schmelzer aus Ellierode.

Figur des Eselstreibers von Schmiedemeister Schmelzer aus Ellierode (Signatur li_1059)

Der Eseltreiber vom Schmiedemeister Schmelzer

Fortan taucht der Esel im Gedenken an seine große frühere Bedeutung für den Ort deutlich wahrnehmbar im Stadtbild und bei kulturellen Veranstaltungen auf.

Eselart (Signatur li_1060)