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Dinosaurier für das Espoldetal

von Andreas Lindemeier

Nachdem sich Ende der 1980er Jahre der Traum vom See in den Teichwiesen zwischen Kleekamp und Niedeck zerschlagen hatte, erschien im April 1987 ein neuer Stern am Hardegser Attraktionen-Himmel.

Plötzlich stand ein lebensgroßer gehörnter Triceratops aus der Gattung der Vogelbeckensaurier auf der Grünfläche vor der Stadtverwaltung. Viele hielten das Erscheinen für einen verspäteten Aprilscherz, überregionale Zeitungen brachten den Saurier vor dem Hardegser Rathaus auf ihre Titelblätter. Was steckte hinter dieser Aktion?

Dinosaurierpark (Signatur li_1134)

Der Unternehmer Bernd Wolter, der aus Beverungen stammt, in Schweden eine neue Wahlheimat fand und dort als Künstler aus Glasfasern Großtiere modulierte, hatte die Idee, in Hardegsen ein Dinosaurier-Freilichtmuseum zu errichten. Wolter fertigte die Urtiere in Schweden lebensgroß aus Glasfaser. Nach seinen Vorstellungen sollten rund 120 verschiedene Saurier mit allen naturhistorischen Daten und Fakten in Hardegsen ausgestellt werden. Die Kosten von etwa 1,4 Millionen DM wollte der Künstler selbst aufbringen. Von der Stadt Hardegsen erwartete er die kostenfreie Bereitstellung einer geeigneten Fläche in Stadtnähe, möglichst an den Wildpark anschließend. Der vor der Verwaltung aufgestellte Triceratops sollte für das Projekt werben.

Die Beschäftigung mit den ausgestorbenen Dinosauriern stieß in Niedersachsen seit1980 auf wachsendes Interesse. Damals waren in dem kleinen Ort Münchehagen in der Gemeinde Rehburg-Loccum, rund sechs Kilometer westlich vom Steinhuder Meer, 256 Trittsiegel von Dinosauriern gefunden und wissenschaftlich beschrieben worden.

Im Rat und in der Verwaltung von Hardegsen traf das Angebot von Wolter auf offene Ohren. Man war zu diesem Zeitpunkt noch sehr bemüht, den Fremdenverkehr durch neue Attraktionen weiterzuentwickeln. Der Umfang von 40.000 Übernachtungen, auf die Hardegsen es 1986 brachte, sollte ausgebaut werden.

Bei einem Behördentermin Mitte Oktober 1987 wurden während einer Begehung mögliche Standorte für den Dinosaurierpark in der Nähe des Wildparks diskutiert. Zwei Flächen nahm man dabei in Augenschein: Zum einen das Areal hinter der Bahnlinie an der Pohlsburg. Hier wurden umgehend Bedenken hinsichtlich des Naturschutzes geäußert. Zum anderen stand das Gebiet der Steimke, westlich des Wildparks, im Fokus.

Dinosaurierpark (Signatur linn_0020)

Bevorzugter Standort, jenseits der Bahn am Hünscheberg

Man war auf Drängen des Investors bestrebt, für eine schnelle rechtliche Absicherung der Planung zu sorgen. Hierzu gehörte die Fortschreibung des Flächennutzungsplanes und die Aufstellung eines Bebauungsplanes, Kosten, die die Stadt Hardegsen hätte tragen müssen. Wolter wollte im Frühjahr 1988 beginnen, sein Projekt umzusetzen.

Mittlerweile war der Triceratops die Attraktion im Hardegser Stadtbild. Ende Oktober hatte er sich sogar über Nacht auf Wanderung begeben. So stand er plötzlich am Weltspartag, geschmückt mit bunten Luftballons, vor der Volksbank. Auch die Teppich Domäne Hardegsen, ein Vorläufer von Poco mit Verwaltungssitz in der Schulstraße, sah Werbemöglichkeiten. Sie spendete 1000 DM für das »Dino-Projekt« und wollte Glasfasersaurier wie den Hornschädel vom Rathaus zu Werbezwecken vor ihre Verkaufsstellen in ganz Deutschland stellen.
Gegen Ende des Jahres 1987 wurde immer deutlicher, dass die Auflagen der Naturschutzbehörde für die Genehmigung des Projekts kaum zu erfüllen waren. Das größte Hindernis stellte der Verlauf der Espolde dar. Sie war, einschließlich ihres Nebenbaches, der Kobbeke aus Richtung Ertinghausen, von der Naturschutzbehörde als herausragendes Fließgewässer Südniedersachsens eingestuft worden. Zwischen Hardegsen und Trögen befinde sich der wertvollste Abschnitt des Espoldetales, so die Behörde. Die Einrichtung eines Dinosaurierparks würde bei der Menge und Größe der Kunststofftiere den Charakter der Landschaft erheblich verändern. Dazu trage auch die Anlage von Wasserflächen für die Saurier bei.

Der mäandrierende Espoldelauf war somit unantastbar und hätte mit einem breiten Schutzstreifen versehen werden müssen. Auf diese Weise wurde die favorisierte Fläche im Espoldetal immer mehr eingeschränkt und schließlich zu klein für die Anlage des vorgesehen Parks.

Nach diesen massiven Einschränkungen und Auflagen sah der Initiator Bernd Wolter keine Möglichkeit mehr, den Dinosaurierpark in Hardegsen zu realisieren. Der vor der Stadtverwaltung aufgestellte Triceratops wurde abgeholt.

Auf weniger Gegenwehr stieß Wolter mit seinem Projekt anschließend in Münchehagen. Dort gründete er mit einem Geschäftspartner eine Dinosaurierpark-Gesellschaft und legte auf dem Gelände, auf dem die 256 Saurierfährten gefunden wurden, ein Freilichtmuseum an. Die niedersächsische Landesregierung hatte 1990 die Mittel zur Errichtung einer großräumigen Schutzhalle der Saurierfährten zur Verfügung gestellt. Unterstützt wurde das Projekt durch den Landkreis Nienburg, der niedersächsischen Sparkassenstiftung und den »Förderkreis Saurierfährten Münchehagen«. Die Schutzhalle wurde 1993 der Öffentlichkeit übergeben. Der Unternehmer gründete zusätzlich die Firma »Wolter Design«, die in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern inzwischen mehr als 400 naturgetreue Modelle verschiedenster Tiere entworfen und gebaut hat. Der Dinosaurierpark Münchehagen eröffnete 1992.

Lektorat Susanne Hösel